In vielen logopädischen und sprachtherapeutischen Praxen werden klassische Therapiematerialien eingesetzt um mit Aphasie-Patienten an sprachlichen Kompetenzen zu arbeiten. Arbeitsblätter sind das Mittel der Wahl wenn es um die Wiederherstellung sprachlicher Modalitäten geht. Manche stammen aus den Sammlungen von NAT und Prolog, manche sind selbst erstellt – aber alle diese Arbeitsblätter und Übungsaufgaben haben eines gemeinsam: sie werden auf Papier ausgedruckt und mit Bleistift bearbeitet.
Gerade bei jüngeren Aphasie-Patienten erscheint aus therapeutischer Sicht aber der Einsatz modernerer Medien angebracht. Denn vor dem Schlaganfall haben viele heutige Patienten ihre Briefe am Computer geschrieben, Bilder über soziale Netzwerke ausgetauscht, Nachrichten mit einem Smartphone verschickt und Zeitungen und Nachrichten auf einem Tablet-PC gelesen. Auch der Konsum digitaler Bücher hat in den letzten Jahren zugenommen und ist für viele Menschen mittlerweile eine Selbstverständlichkeit.
Keine App, sondern ein interaktives Buch
Seit Juni 2012 gibt es auf dem Markt ein neues Produkt: digitale Bücher speziell für das iPad, die in der Reihe Therapiebuch erscheinen. Vertrieben wie jedes andere digitale Buch über den iBookstore auf dem iPad, handelt es sich dabei um interaktives Therapiematerial, das für den autonomen Einsatz durch einen Patienten aber ebenso als zusätzliche Motivation in der logopädischen Therapie konzipiert wurde.
In Abhängigkeit vom Thema und dem Umfang der Aufgaben, sind die Aphasie-Übungsbücher aus der Reihe Therapiebuch in unterschiedliche Kapitel unterteilt. Die Abschnitte sind auf einzelne linguistische Basisbereiche ausgerichtet oder legen ihren Schwerpunkt auf eine bestimmte Aufgabenstellung.
Da, wie auch in der täglichen logopädischen Praxis, diese Aufgabenstellung nicht immer linear einem bestimmten Verlauf folgt, können Therapeuten mit Hilfe von Markierungen, virtuellen Notizzetteln und Lesezeichen ihren Patienten eine individuelle Route durch die Therapiebücher vorgeben.
Die einzelnen Aufgaben sind so gestaltet, dass sie klassisches therapeutisches Handwerkszeug nutzen: Ablenker visueller, semantischer, phonematischer Art, moderate Steigerung der Anforderung und eine Mischung aus Auswahl- und Zuordnungsaufgaben. Nimmt man zum Beispiel das erste Therapiebuch „Uhrzeiten“, findet man Aufgaben zum Auswählen von Uhren nach sprachlicher Vorgabe. Es werden Aufgaben gestellt, bei denen idiomatische Wendungen im semantischen Feld der Uhrzeiten aufgelöst werden müssen und solche, bei denen es um die Zuordnungen digitaler Zeitangaben zu gezeichneten Uhren geht. Ziel der Übungen ist es, den Patienten im Umgang mit Uhrzeiten und Zeitangaben sicherer zu machen. Uhrzeiten und Farben – der Schwerpunkt des zweiten Aphasie-Übungsbuches aus der Reihe Therapiebuch – wurden gewählt, da es bisher nur wenig Therapiematerial zu diesen Themen gibt.
Ausprobiert
Bei Testläufen der Therapiebücher hat sich gezeigt, dass ältere Aphasie-Patienten einige Berührungsängste mit den Geräten hatten. Sehr zarghaft waren die ersten Versuche und im Nachhinein gaben sie an, zunächst unsicher gewesen zu sein. Die Durchführung der Aufgaben ist allen leicht gefallen: Das Antippen eines Bildes und das Wischen über den Bildschirm zum Blättern sind intuitive Gesten und erfordern keine zusätzliche Einarbeitung. Das ermöglicht den Einsatz der Aphasie-Übungsbücher aus der Reihe Therapiebuch in zwei Bereichen. Zum einen lassen sich die Therapieeinheiten mit therapeutischer Begleitung gestalten, zum anderen aber lassen sich die Bücher auch für das selbständige Üben einsetzen.
Eine Rückmeldung erfolgt sofort und Patienten erhalten ohne Zeitverzögerung einen Hinweis zu ihren Leistungen. Damit können Patienten in Rehabilitationskliniken auch am Wochenende Übungen durchführen, können Patienten im häuslichen Umfeld Hausaufgaben erledigen und bleiben über ihren eigenen Fortschritt informiert.
Bei einer kleinen Präsentation der Möglichkeiten eines Therapiebuches zeigte sich dann auch Prof. Dr. med. Florian Stögbauer, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Osnabrück, beeindruckt und nahm die Verfügbarkeit der ersten Therapiebücher als Anlass, seiner logopädischen Abteilung die Anschaffung von zehn iPads zuzusagen.
Verfügbarkeit
Verfügbar sind zur Zeit zwei Therapiebücher. Die Aphasie-Übungsbücher „Uhrzeiten“ und „Farben“. Das Konzept sieht aber bereits weitere Themen vor. Gerade im Bereich der Semantik sind viele interessante Aufgaben umsetzbar. Besteht durch die aktuellen technischen Bedingungen die Möglichkeit, effektive und zugleich ansprechende Übungen zu gestalten.
Das Therapiebuch „Uhrzeiten“ ist kostenlos verfügbar und das Therapiebuch „Farben“ kostet 8,49 Euro in Apples digitalem Buchladen.