Wenn man als Logopäde aus Deutschland nach Österreich umsiedeln möchte, dann steht man vor der Aufgabe, seine berufliche Qualifikation zunächst anerkennen lassen zu müssen. Die Ausbildung und auch das Studium in Deutschland sind im europöischen Vergleich nämlich schlecht. Auf alle Fälle nicht gleichwertig, denn in Deutschland fehlen ausreichende Kenntnisse in Audiometrie und Pädaudiologie.
Die entsprechenden Aufgaben fallen in Österreich und zum Beispiel den USA nämlich den Logopädinnen und Logopäden zu. Daher darf man sich als deutscher Logo in Österreich erst einer Nostrifikation unterziehen.
Da ich genau das gerade mache, wollte ich hier den typischen Weg skizzieren, damit ihr im Bedarfsfall wisst, wie es geht.
Wichtig: frühzeitig handeln
Plant viel Zeit ein. Soviel vorweg. Alles in allem wird es mindestens zwei Monate dauern, die nötigen Unterlagen und die Anerkennung zu erhalten. Haltet ebenfalls ein bisschen Geld bereit, denn einen mittleren dreistelligen Betrag wird der Vorgang ebenfalls kosten.
Es beginnt mit einem Blick auf die Internetseite der in Österreich zuständigen Stelle. Das Bundesministerium für Soziales und Gesundheit – das Sozialministerium – ist die entscheidende Behörde. Sie bearbeitet den Antrag und wacht über das Verfahren.
Für diesen gibt es eine Vorlage. Wichtig ist, dass sie von euch selbst unterschrieben ist (unterfertigt nennt das der Österreicher). Zum Antrag gehören ein paar Dokumente, die ihr mitschicken müsst:
Zunächst natürlich eure Berufsurkunde beziehungsweise eure Bachelor-Urkunde. Eine beglaubigte Kopie muss es sein. Außerdem braucht ihr ein polizeiliches Führungszeugnis im Original, das nicht älter als drei Monate ist bei Antragsstellung.
Von euren bisherigen Arbeitgebern braucht ihr Arbeitszeugnisse, die eure Tätigkeiten und Schwerpunkte auflisten. Auch wenn ihr noch als Logo tätig sein solltet zum Zeitpunkt der Antragstellung, müsst ihr von einem Hausarzt oder Allgemeinmediziner eine Bescheinigung haben, dass ihr für den Beruf Logopädin/Logopäde geeignet seid. Das geht in der Regel sehr schnell, aber die Bescheinigung muss euch vorliegen.
Wenn ihr schon in Österreich wohnt, braucht ihr einen Meldezettel. Den habt ihr bei der Anmeldung am Wohnort bekommen. Wenn ihr noch in Deutschland wohnt, müsst ihr jemanden in Österreich finden, der eure Post annimmt und für diese Person müsst ihr eine Zustellvollmacht ausstellen und eurem Antrag beifügen. Auf so einer Zustellvollmacht müssen beide unterschreiben!
Bis hier sind es schon eine menge Unterlagen, aber noch nichts, was sich nicht leicht organisieren ließe. Nicht vergessen darf man einen unterschriebenen Lebenslauf.
Certificate of good standing
Schwieriger ist der nächste Punkt. Ihr braucht eine Bescheinigung, dass eure Berufserlaubnis nicht widerrufen wurde. Also nur die Berufserlaubnis reicht nicht. Glücklicherweise ist diese Bescheinigung, die ein Certificate of good standing ist, bei den deutschen Behörden bekannt. Das fand ich erstaunlich, gerade weil es bei mir sehr lange gedauert hat, bis ich einen Ansprechpartner ausmachen konnte. Den Antrag für diese Unbedenklichkeitsbescheinigung stellt ihr bei der Behörde, die die ursprüngliche Berufserlaubnis ausgestellt hat. Wer sein Examen beispielsweise in Hessen gemacht hat, der hat Pech und wendet sich an das Regierungspräsidum in Darmstadt. Wer in Rheinland Pfalz die Erlaubnis erworben hat, hat etwas mehr Glück und wendet sich an die Gesundheitsbehörde in Landau.
Pech in Hessen? Die Unbedenklichkeitsbescheinigung in Hessen kostet runde 120 EUR, in Rheinland Pfalz knapp 33 EUR. Beiden gemein ist, dass ihr auch hier ein Führungszeugnis benötigt, eine beglaubigte Kopie eurer Berufserlaubnis und eine Erklärung, dass aktuell keine juristischen Verfahren gegen euch laufen. Schlussendlich braucht ihr von eurem aktuellen oder letzten Arbeitgeber ein Arbeits- bzw. Zwischenzeugnis.
Audiologie
Das war für die Anerkennung noch nicht alles. Die Ausbildung in Deutschland hat den Nachteil, dass Inhalte aus dem Bereich Audiometrie fehlen. Diese müsst ihr vor Antrag auf Anerkennung nachholen. Vorher, das ist wichtig, denn sonst seht ihr euch in Österreich an einer FH eine Prüfung absolvieren. Insgesamt braucht ihr den Nachweis, dass ihr 200 Stunden in den Bereichen Audiometrie und Pädaudiologie als Praktikum absolviert habt. Sucht euch also einen Hörgeräteakustiker oder eine Audiologische Abteilung einer Klinik und macht ein Praktikum. Wenn es nicht ganz 200 Stunden sind – die Stunden aus der Ausbildung bzw. dem Studium zählen mit.
Apropos Stunden im Lehrplan. Den müsst ihr auch mitliefern. Am besten wendet ihr euch an die Schule oder Hochschule an der ihr die Berufserlaubnis erworben habt und lasst euch eine Stundenübersicht zusenden. Wenn das nicht geht, kann die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Logopäden (LogAPrO) helfen. Dort sind die Mindeststunden aufgelistet, aber eben auch nur die Mindeststunden.
Ab die Post
Habt ihr alle Unterlagen könnt ihr den Antrag auf Anerkennung nach Österreich schicken oder persönlich vorbei bringen. Macht ihr letzteres, nehmt euren Reisepass mit! Beim Postweg fügt eine Kopie eures Ausweises bei oder einen Staatsangehörigkeitsnachweis.
Dann heißt es warten. Je nach Eindeutigkeit eurer Unterlagen dauert es ein bisschen. Rechnet mit vier Wochen. Am Ende bekommt ihr eine Zahlungsaufforderung. 300 EUR werden fällig, wahrscheinlich etwas mehr.
Das Sozialministerium in Österreich bietet für manche Berufe ein One-Stop-Verfahren, bei dem Abgabe des Antrags und Prüfung nur rund eine Stunde dauern. Für die Logopädie gibt es das nicht. Über euren Antrag wird immer im Einzelfall entschieden.
Viel Erfolg! Wenn ihr nämlich in Österreich arbeiten wollt, dann führt kein Weg an der Anerkennung vorbei. Aber ihr arbeitet dann in einem Land in dem die Logopädie einen gefühlt höheren Stellenwert hat und das zwar kein schönes Kosewort für uns Deutsche bereit hält, uns aber mag.
Wir sehen uns in Wien.
Update 2022
Die Modalitäten haben sich ein bisschen geändert. Das Führungszeugnis und ärztliche Attest sind nicht weiter erforderlich. Und das Praktikum im Bereich Audiologie natürlich nur, wenn der Umfang der Ausbildung nicht min. 200 Stunden in diesem Bereich umfasste. Bei einigen Studiengängen in Deutschland sind 200 Stunden Audiologie und Pädaudiologie im Lehrplan enthalten. Dann reicht das als Nachweis.
Checkliste
Dokumente für die Nostrifikation:
- Formloser Antrag mit Adresse und E-Mail
- Lebenslauf
- Prüfungszeugniss
Führungszeugnis- Berufsurkunde, Bachelorurkunde
- Bescheinigung, dass Berufserlaubnis nicht widerrufen wurde (Certificate of good standing)
- Nachweis Staatsangehörigkeit (Kopie Reisepass)
- Arbeitszeugnisse
Ärztliches Zeugnis über die Eignung zur Berugsausübung- Lehrplan der Ausbildung mit Angabe der Stunden pro Fach
- Nachweis über 200 Stunden in der Audiologie und Pädaudiologie (sofern nicht Teil der Ausbildung muss ein Praktikum nachgewiesen werden)
Hilfereiche Links und Downloads
- Download:
Antragsformular - Info:
Sozialministerium mit Informationen zur Anerkennung - Download:
Zustellvollmacht
Das ist ja furchtbar was man alles machen muss! Eine reine Odyssee! Und das in der EU!
Naja. Es wäre an der Zeit , die deutsche Ausbildung dem europäischen Standard anzupassen.
Oh ja. Aber bei den ganzen Modellprojekten die laufen und verlängert werden, wird das in Deutschland so schnell nicht passieren.
Ich würde mir wünschen, die Logopädie würde verkammert. Mit einer Kammer hätte man sicher bessere Verhandlungspositionen und mehr Möglichkeiten der Standardisierung.
Kleines Update: Mein Antrag auf Anerkennung ist seit dem Donnerstag vor Pfingsten beim Gesundheitsministerium. Bitte alle fließig die Daumen drücken! <3
Lieber Alexander Fillbrandt, eine Freundin und Kollegin hat mich auf Sie aufmerksam gemacht. Besonders den Artikel zur Nostrifikation in Österreich hab ich mit großem Interesse gelesen, vor allem da ich selbst gerade vor dieser Herausforderung stehe. Ich habe in Potsdam Patholinguistik studiert und finde niemanden der mir sagen könnte wo ich dieses Certificate of good Standing anfordern kann. Da Sie in Ihrem Artikel darüber schreiben, dachte ich Sie könnten mir in diesem Punkt eventuell weiterhelfen! Ich bedanke mich ganz herzlich im Voraus und hoffe natürlich, dass ihr eigener Antrag inzwischen positiv abgeschlossen wurde.
Ganz herzliche Grüße, Magdalena
Guten Morgen,
das Certificate of good standing ist eine Bescheinigung, dass die Berufserlaubnis noch gilt. Als Patholinguistin wird diese Erlaubnis ja über die Kassenzulassung geregelt und es gibt keine Erlaubnis die Berufsbezeichnung „Logopädin“ zu führen.
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, müssen Sie in Ihrem Fall auch nicht den Weg einer Anerkennung durch das Gesundheitsministerium gehen sondern eine Nostrifikation durch eine Fachhochschule erlangen. Dafür sind tatsächlich die Fachhochschulen zuständig.
Mehr Infos hier: https://www.fh-campuswien.ac.at/studium/bewerbung-und-aufnahme/nostrifizierung.html
Grüße
Alex
wunderschön geschrieben, Alex, willkommen in Österreich:)
Herzliche Grüße
Anna
Lieber Alexander!
Vielen Dank für den sehr informativen Beitrag zur Nostrifikation! Es hat mir sehr geholfen, um einen ersten Einblick zu bekommen wie dieser Prozess abläuft!
Ich habe im Dezember einen Antrag auf Anerkennung am Gesundheitsministerium gestellt. Nun wollte ich hier ein paar Änderungen/zusätzliche Informationen ergänzen:
– Die Bachelorurkunde ist nicht notwendig, man kann den Antrag auch schon direkt nach dem Staatsexamen mit der Berufsurkunde stellen. Das ist von Vorteil, weil der Anerkennungs-Prozess etliche Wochen/Monate dauert.
– Eine kleine Erleichterung: Das ärztliche Zeugnis und das polizeiliche Führungszeugnis werden nicht mehr gefordert!
– Ich habe meine Ausbildung in Erlangen (Modellstudiengang) gemacht. Im Zuge dieser Ausbildung absolviert man über 200 Stunden im Fachbereich Audiologie, sodass das Praktikum entfällt!
Liebe Grüße,
Johanna
Lieber Alexander,
endlich habe ich etwas zu diesem Thema gefunden:-)
Weißt du oder denkst du, dass es von Vorteil ist, den Bachelor in Logopädie nachzuholen für die Anerkennung in Österreich arbeiten zu dürfen?
Viele liebe Grüße,
Christin
Hey,
Du brauchst keinen Bachelor. Es würde dir helfen, wissenschaftlicher zu arbeiten und letztlich dein Namensschild in Österreich aufpolieren, aber bei der Anerkennung hilft er nicht wirklich. Die dauert halt ein bisschen aber mit Examen ist das Ergebnis gleich.
Grüße
Alex
Guten Tag, vielen vielen Dank für diesen hilfreichen Artikel!!! Ich komme aus Österreich. Da ich hier keinen Studienplatz bekommen habe , bin ich dann nach Deutschland um die Ausbildung zur Logopädin zu machen. eine Frage bitte: Wisst ihr ob man die Nostrifikation auch machen darf ohne vorher in Deutschland gearbeitet zu haben? Also ohne Arbeitszeugnisse?
(Ich hätte dann nur 4 Praktika-Zeugnisse. Zeit der Praktika im gesamten: 5 Monate dazu zusätzlich die interne Ausbildung mit vielen eigenen durchgeführten Therapien )
LG
Chiara
Hi Chiara,
du kannst die Anerkennung direkt in Angriff nehmen. Arbeitszeugnisse musst du nur vorlegen, wenn du welche hast.
Liebe Grüße
Alexander Fillbrandt
Hallo Alex, habe meine logopädische Ausbildung 2005 beendet und keinen Bachelor, bin gerade in dem Berufsanerkennungsverfahren, bei Herrn Dr. N., er möchte von mir den Nachweis für 100 Stunden wissenschaftliche Arbeit innerhalb meiner Ausbildung. Ich habe eine Abschlussarbeit damals geschrieben, ist nur keine Diplomarbeit. Oder was wäre möglich. Liebe Grüße Karola
Hallo Karola!
Ich bin in der gleichen Lage wie du und wollte mal anfragen, wie es bei dir ausgegangen ist?
Liebe Grüße Verena
Hallo Alex, Vielen Dank für das Teilen Ihrer Erfahrungen. Ich komme aus dem Iran und habe einen Bachelor-Abschluss in Logopädie und einen Master-Abschluss in Familienberatung und 7 Jahre Berufserfahrung als Logopäde im Iran, lebe aber seit einem Jahr mit meiner Familie in Österreich, benötige aber eine Nostrifizierung in Österreich als Logopädin zu arbeiten. Das Problem ist, dass ich in Österreich C1-Deutsch brauche, um als Logopäde arbeiten zu können, Universitäten aber die Vorlage eines C2-Zertifikats für den Nostrifizierungsprozess verlangen, was selbst für Menschen, die Deutsch als Muttersprache sprechen, nicht einfach zu erreichen ist. Ich weiß nicht, was kann ich tun. Irgendein Vorschlag?
Hey!
Ja. Man braucht in Österreich C2 für die Nostrifikation. Aber auch bei manchen Arbeitgebern wird C2 erwartet.
Die Tests sind aber in Wien zum Beispiel gar nicht so heftig. Ich würde dir aber raten den Test an einer offiziellen Stelle zu machen. An eine Volkshochschule zum Beispiel. Kurse werden oft auch gefördert.
Das würde mir spontan einfallen.
Und mach unbedingt mal einen Termin beim AMS für eine Beratung. Die kennen sich aus und haben immer gute Tipps auf Lager!